closs hat geschrieben:Detlef hat geschrieben:Jedenfalls hatte sich seit Anfang des des 19. Jahrhunderts in der Medizin durch die Einwirkung der Naturwissenschaften eine gravierende Wende vollzogen
NAtürlich - das ist doch gut so. - Meinst Du, das hätte es nach (dem nicht so sehr erfolgreichen, aber immerhin engagierten) Descartes NICHT gegeben?
Detlef hat geschrieben:Krehl erkannte, dass die Einsicht in die gesamte Persönlichkeit (seit Descartes getrennt betrachtet und beforscht) notwendig war, um zu einem klaren Bild eines Kranken und der Krankheit kommen zu können.
Wenn das vorher anders war, lag das nicht an den Gedanken von Descartes, sondern an deren falscher Auslegung.
Weder noch.: "....Solange die Universitäten von Philosophie und Theologie bestimmt wurden, war es nicht möglich, den Menschen "das Ebenbild Gottes", "nur" als Objekt aufzufassen und wie andere Gegenstände zum Studienobjekt zu machen. ..Descartes hat durch die Teilung die anatomische und auch die anthropologische Forschung möglich gemacht...Dass es zu einer horrenden Distanz beider "res" kam, konnte Descartes nicht ahnen- und hatte es nicht zu verantworten...Descartes bewirkte mit der Methodenteilung, dass das anthopologische Problem, aber auch die menschlichste aller Reaktionen, die Krankheit, forscherisch angegangen werden konnten..."(Becker-Der Einbruch der Naturwissenschaft in die Medizin)
und:
"...Durch die cartesische Teilung ist die Notwendigkeit offenbar geworden, neben der körperlichen ärztlichen Behandlung auch die Seele,-"res cogitans"- zu betreuen. Vor Descartes hat man seelische Krankheiten nicht ärztlich zu behandeln bemüht, seelische Krankheiten waren nicht eigentlich "Krankheit", sie waren als Geistesstörungen definiert...."(Becker - Der Einbruch der Naturwissenschaft in die Medizin)
closs hat geschrieben: - Ich habe offen gestanden immer noch nicht kapiert, warum die Erkenntnis, dass der Mensch primär ein geistiges Wesen sei, davon abhalten soll, das materielle Interface zwischen Geist und Materie (= Gehirn) medizinisch zu behandeln. - Wenn Rennfahrer und Auto kategorial Unterschiedliches sind, repariert man doch trotzdem das Auto, wenn es kaputt ist.
Weil du von falschen Voraussetzungen ausgehst, der Mensch ist weder ein
"primär" gesitiges Wesen, noch ist das Hirn "materielles Interface zwischen Geist und Materie", er ist auch keine Maschine, die ab und zu mal kaputt geht.:
"Das Bewusstsein ist also ein Produkt des Gehirns, es entsteht und vergeht mit ihm. Was für Neurowissenschaftler eine weithin akzeptierte Tatsache und fast eine Binsenweisheit ist, wird manchem einen Schrecken einjagen...Wo „sitzt“ das Bewusstsein? Auch darüber herrscht unter Forschern weitgehend Einigkeit. Es wird in bestimmten Gebieten der Großhirnrinde vermutet. In dieser nur wenige Millimeter dicken und stammesgeschichtlich jungen „Deckschicht“ des Gehirns, wissenschaftlich als Cortex bezeichnet, ballen sich etwa 15 Milliarden Nervenzellen."(Wie der Geist entsteht- aus "Der Tagesspiegel")
und
"Es gibt inzwschen zahlreiche Untersuchungen zu Patienten mit Verletzungen einer bestimmten Hirnregion, des Stirnlappens. Sie zeigten auffällige Veränderungen ihrer Persönlichkeit, auch wenn sie körperlich anscheinend gesundet waren. Obwohl auch ihre intellektuellen Fähigkeiten nicht beeinträchtigt schienen, waren sie nicht mehr fähig, ihr Leben zu organisieren. Menschen, die vor ihrer Erkrankung erfolgreich im Beruf gestanden hatten, trafen nun Entscheidungen, die sie ruinierten; sie waren unfähig, einen Plan in die Tat umzusetzen oder eine begonnene Sache zu vollenden...
Beeindruckend ist das Beispiel eines Patienten, der, gefragt, ob er lieber zu dem einen oder dem anderen Termin zur Untersuchung kommen wolle, eine halbe Stunde lang Argumente für beide Möglichkeiten aufzählte, ohne zu einem Entschluß zu kommen. Erst nach der Entwicklung neuer Testmethoden fiel auf, was die Behinderung der Betroffenen ausmachte: Ihre Fähigkeit, Gefühle zu empfinden, war weitgehend zerstört worden. Statt nun besonders rationale Entscheidungen zu treffen, konnten diese Menschen sich gar nicht mehr entscheiden. Demnach würde eine Erkenntnistheorie, die Emotionen und Vernunft trennen will, eher das Entscheidungsverhalten eines Hirngeschädigten als das eines Gesunden beschreiben...." (Hirnforscher-ein Manifest verfasst über die Gegenwart und die Zukunft der Hirnforschung)