noch was zu der falschen Lehre der jw-org. :
10.2.6 Zweifel an der gängigen Lehrmeinung, Jesu sei nur Mittler der Gesalbten
Am 16. November 1979, einen Tag vor meiner Abreise nach Paris, der ersten Station in Richtung Westafrika. leitete der Präsident der Gesellschaft die morgendliche Bibeltextbesprechung. da er in dieser Woche gerade den Vorsitz hatte. In seinem Kommentar sagte er, einige zögen die Ansicht der Gesellschaft in Zweifel (die in einer der letzten Wachtturm-Ausgaben erschienen war), daß Jesus Christus nur der Mittler der „Gesalbten“ sei und nicht auch der übrigen Millionen Zeugen Jehovas[15] Von diesen Zweiflern sagte er:
„Sie möchten alle miteinander vermengen und Jesus Christus zum Mittler für jeden Tom, Dick und Harry machen.“
Unwillkürlich mußte ich an all die Toms und Dicks und Harrys denken, die es unter den anwesenden Mitarbeitern der Weltzentrale gab, und ich fragte mich, was sie dabei wohl dachten. Mir war bekannt, daß über dieses Thema viel gesprochen wurde, zum Teil sehr negativ.
Der Präsident betonte dann, daß die Lehre der Gesellschaft richtig sei. Der einzige Bibeltext. den er dabei anführte, war aus Hebräer, Kapitel 12, und zwar die Worte:
„Was ihr erduldet, dient euch zur Züchtigung. Gott handelt mit euch als mit Söhnen. Denn welchen Sohn wird ein Vater nicht züchtigen? Wenn ihr aber ohne die Züchtigung seid, deren alle teilhaftig geworden sind, seid ihr wirklich illegitime Kinder und nicht Söhne.“
Als Veranschaulichung gebrauchte er das Bild der Züchtigung eines Pferdes, das lernen soll, im Kreis zu gehen: „Hin und wieder sind vielleicht ein paar Peitschenhiebe nötig, um das Tier dazu zu bringen.“ Er forderte jeden, der die Lehre der Gesellschaft in diesem Punkt anzweifelte, auf stillzuhalten, die Züchtigung anzunehmen und „zu zeigen, daß er den Mumm hat, weiter treu zu bleiben!“[16]
Am Abend desselben Tages flog ich nach Paris ab, doch noch tagelang fühlte ich mich angewidert, nicht nur von diesen Worten, sondern von der ganzen Haltung, mit der das Problem angegangen wurde, und von dem Geist, den ich bereits in den letzten Jahren erlebt hatte.
10.2.7 In New York wird ein „anderes Evangelium“ verbreitet als das des Jesus Christus!
Für mich ging aus der Bibel klar hervor, daß Jesus Christus seine Mittlerdienste jedem Tom, Dick und Harry anbot, um sie mit Gott zu versöhnen. Und er legte sein Leben für alle Menschen nieder als ein Loskaufsopfer, dessen Wohltaten allen und jedem zugänglich waren, der sie annehmen wollte. Das war genau das Gegenteil dessen, was dort in der Weltzentrale verkündet worden war. Es hatte den Anschein, als bekämen wir „ein [224] anderes Evangelium“ zu hören, nicht die gute Botschaft, die uns die inspirierten Bibelschreiber des 1. Jahrhunderts übermittelt hatten.
Das vorletzte Land in Afrika, das ich besuchte, war Mali. Die meisten Missionare dort stammten aus Frankreich. Nachdem ich mit großer Mühe in Französisch einige Punkte vorgetragen hatte, die ich in jedem Land mit den Missionaren besprach, fragte ich, ob Fragen bestünden. Als zweite Frage kam: „Der Wachtturm sagt, Jesus sei nur der Mittler für die Gesalbten, nicht für uns übrige. Könntest du uns das bitte näher erklären? Heißt das, daß er nicht einmal im Gebet unser Mittler ist?“
Hätte ich es darauf abgesehen Zweifel zu säen, so wäre das sicher eine günstige Gelegenheit gewesen. Ich bemühte mich aber, sie zu beruhigen, und verwies auf 1. Johannes, Kapitel 2, Vers 1, wo von Jesus als dem „Helfer“ derer gesprochen wird, für die er ein „Sühnopfer“ ist, auch für die „der ganzen Welt“. Selbst wenn sie Jesus nicht als ihren Mittler ansehen könnten, sagte ich, so doch bestimmt als ihren Helfer. Und sie könnten ganz sicher annehmen, daß er an ihnen ebenso sehr interessiert sei wie an sonst irgendjemand auf Erden.
Ich hatte den Eindruck, sie damit hinreichend beschwichtigt zu haben, und zugleich hatte ich die Aussagen des Wachtturm in keiner Weise in Zweifel gezogen.
Ein paar Tage später allerdings, als ich zum Flugplatz fahren wollte, um nach Senegal weiterzureisen, kamen die Missionare vorbei, um Abschied zu nehmen und eine der Missionarinnen trat zu mir und fragte: „Aber ist Jesus nicht wenigstens im Gebet unser Mittler?“ Ich konnte nichts weiter tun, als im Wesentlichen nur das zu wiederholen und noch einmal zu betonen, was ich bereits bei der Zusammenkunft im Missionarheim gesagt hatte.
Nach etwa drei Wochen traf ich wieder in Brooklyn ein. Mir war nichts zugestoßen in Afrika; nur einmal war nachts der Zug entgleist, als ich gerade auf der 20stündigen Fahrt von Wagadugu (Obervolta, seit 1984 Burkina Faso) nach Abidschan in der Elfenbeinküste war.
Am Morgen nach meiner Rückkehr saßen beim Frühstück neben mir ein Mitglied eines Zweigkomitees und seine Frau, die zu Besuch weilten. Kaum hatte die Mahlzeit begonnen, wollte die Frau wissen, ob sie mir eine Frage stellen könne. Ich erwiderte: „Fragen stellen kannst du. Ob ich sie dir beantworten kann, weiß ich nicht.“ Sie sagte, am Abend zuvor habe sie demWachtturm-Studium beigewohnt, in dem ein Artikel über die Mittlerrolle Christi behandelt worden sei. Und dann stellte sie haargenau dieselbe Frage wie die Missionarin in Mali. Ich gab ihr dieselbe Antwort.
Das folgende Wochenende mußte ich in New Jersey einen Vortrag halten, und hinterher kam eine Zuhörerin zu mir, eine aktive Zeugin, die sagte, sie habe einige Fragen. Es waren drei Fragen, und die zweite hatte mit der Mittlerrolle Christi zu tun. Und wieder gab ich dieselbe Antwort.
Ich erwähne diese Vorgänge, weil sie veranschaulichen, wie ich vorging, wenn mir in offizieller Funktion Fragen zu Lehrpunkten der Organisation gestellt wurden. Hatte ich Zweifel über die biblische Grundlage einer Lehre [225] der Organisation, so besprach ich diese nur mit alten, vertrauten Freunden, die (soweit es Männer waren) alle ein Ältestenamt bekleideten. Bis 1980 gab es außer meiner Frau nur vier oder fünf Menschen auf der Erde, die überhaupt etwas von meinen Bedenken wußten, und auch von ihnen kannte keiner alle Gründe für diese Bedenken. Dazu hätte es eines Buches wie diesem bedurft.
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