Hiob hat geschrieben: ↑Sa 25. Feb 2023, 16:54
Du nennst DAS Neusprech, was neu gegenüber dem Neusprech des vorigen Jahrhunderts ist. - Ich nenne DAS Neusprech, was im vorigen Jahrhundert zu einer Verfremdung von Begriffen geführt hat. Ergebnis: Wir verstehen unter Neusprech Gegenteiliges.
Der Begriff "anthropozentrisch" wurde in den 1860ern geprägt, als Darwins Werke erschienen. Da beschreibt es die jetzt in Wanken geratene Annahme, dass Menschen sich im Mittelpunkt des Universums befinden - als Krone der Schöpfung. Insofern hat das Wort einen anti-christlichen Unterton, denn "Krone der Schöpfung" ist es, was die Schöpfungsgeschichte nun mal über den Menschen sagt.
Die ursprüngliche Bedeutung im 19. Jh. hat rein gar nichts mit Deiner Umdefinierung / Neubesetzung von "anthropozentrisch" zu tun.
Das ist also wie bei Putin mit Dir: Der "Meister des Neusprechs" beschwert sich über Neusprech.
Hiob hat geschrieben: ↑Sa 25. Feb 2023, 16:54Ich verstehe Dich trotzdem: Du nimmst die Erkenntnis-Möglichkeiten des Menschen zum Maßstab, innerhalb derer der Mensch logischerweise letzte Instanz ist - eigentlich ist das eine Tautologie.
Bingo.
Hiob hat geschrieben: ↑Sa 25. Feb 2023, 16:54Descartes und Kant haben (bei aller Unterschiedlichkeit) etwas anderes gemacht. Sie haben zwar in Deinem Sinne sehr wohl den Menschen sozusagen emanzipiert, indem sie ihm philosophisch Verstand und Vernunft zugesprochen haben, die Leitlinie fürs Handeln sein sollen. Und natürlich bezieht sich dies nur auf den Menschen und nicht auf Tiere. Insofern ist es in diesem (kleinen) Rahmen tatsächlich anthropozentrisch.
Naja, "Tiere sind gefühllose Automaten, die man lebendig sezieren darf" ist sicher nicht nur "im kleinen Rahmen" anthropozentrisch.
Hiob hat geschrieben: ↑Sa 25. Feb 2023, 16:54Aber doch nicht übergeordnet! Descartes unterstellt doch seine Beschäftigung mit den geistigen Möglichkeiten des Menschen dem Glauben, dass der Mensch ein Abbild eines höheren Geistes, also Gottes ist. Und auch Kant schreibt Werke wie bspw. "Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft". Die Grundlagen sind also beidseits theozentrischer/metaphysischer Natur, also nicht anthropozentrischer Natur. Letztere ist eher typisch fürs 20. Jahrhundert, und zwar nicht, weil man sich in der Philosophie psychologisierend mit sich selber beschäftigen würde, sondern weil man das eigene Verstehen zum Maß der Welt macht.
Was ist denn dann noch der Unterschied zwischen "atheistisch" und "anthropozentrisch"?
Ist es nicht einfach so, dass Du atheistischen Ansätzen irgendein negatives Etikett aufkleben willst?
Hiob hat geschrieben: ↑Sa 25. Feb 2023, 16:54
Es ist doch ein Unterschied, ob man menschlichen Geist zum Maßstab macht (20. Jh) oder ob man fragt: "Was und wie kann der Mensch erkennen?" (Descartes/Kant).
Natürlich ist das ein Unterschied. Aber Kant und Descartes machen doch gerade den menschlichen Geist zum Maßstab.
Kant sagt: Menschen legen die kausale Ordnung in die Dinge hinein. Extra für Dich: Das bedeutet, sie wird von Menschen
erfunden . Wenn die kausale Ordnung aber menschliche Erfindung ist, dann hat Kant kein Recht, dass er hinter den Erscheinungen "Dinge an sich" annimmt, die die Erscheinungen
verursachen. Es wird etwas Irreales, eine Erfindung, die die Menschen in die Sinnenwelt hinein-projizieren, klammheimlich entliehen und
metaphysisch angewendet.
Mehr Anthropozentrismus geht nicht.