Nobody2 hat geschrieben: ↑Di 14. Sep 2021, 21:14Drehen wir den Spieß also einfach mal um. Sagen wir, Du hast Recht. Die Evangelien sind Legenden.
Nun erkläre mir mal im Detail, wie man das hinbekommen hat.
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Es ist leicht, Informationen auf Unstimmigkeiten zu prüfen und sie dann vorzubringen. Aber daraus lässt sich die These einer Jesus Verschwörung oder gar eines Geheimunds zur Schaffung und Etablierung eines Jesus-Christus Mythos und Kultes überhaupt nicht ableiten.
Es ist keine Jesus-Verschwörung, es gibt keinen Geheimbund und es sind keine Lügen.
Ein Vergleich in dieser Richtung ist immer heikel, aber ich nehme mal den 2. Weltkrieg und das am Ende besiegte Deutschland her.
Die Deutschen haben die Illusion einer starken, in der Welt sich durchsetzenden Nation, verloren und sie haben sogar vollständig umgedreht und wollten nichts mehr von Gewallt wissen.
In den Formulierungen scheinen sich die Nachkriegsdeutschen (1/2 Generationen später) und die Kriegsverantwortlichen wie zwei Gruppen gegenüberzustehen - es gibt den Slogan "wir wurden von den Nazis befreit".
Diese Veränderung ist keine Verschwörung, keine Lüge - es ist eher eine Einsicht und ein Wunsch/Bedürfnis, die Vergangenheit vernünftig zu verwalten.
Die Grundlage ist ein Verlust-Schicksal, das alle in gleicher Weise teilen.
Nun stell dir die Situation von Deutschland als einen harmlosen Fall vor, im Vergleich zu dem, was die Zeloten und ihre Anhänger um 70 n.Chr und letztlich dann auch noch 135 n.Chr durchleben mussten.
Bis 70 n.Chr haben sich mehr als 2 Generationen auf das Gottes-Reich und den Messias ausgerichtet. Bis 135 n.Chr waren es mehr als 5 Generationen.
Das war keine kurzfristige Bande, sondern eine eigene Entwicklung, eine Abspaltung vom sonstigen Judentum. Es ist anzunehmen, dass sie eigene Traditionen entwickelt haben und dass die letzte Generation auf eine Art Stammbaum in diesen Traditionen zurückblicken konnte.
Und stell dir vor, alles ist auf die Reaktion Gottes ausgerichtet, darum geht es, denn die römischen Truppen sind mit drei Legionen (60.000 Mann) viel zu stark, um von jüdischer Hand besiegt zu werden.
Sie kämpfen und sie merken dass sie verlieren. Sie ziehen sich zurück und in ihrer Hauptstadt eskaliert die Gewalt. "Flavius Josephus" schreibt über "apokalyptisch durchgeknalltes gegenseitiges Auffressen" - Juden gegen Juden unter Belagerung durch die Römer.
Der Untergang jeglicher religiöser Ansprüche, das Zerstören des Allerheiligsten, das Zerstören des Tempels und letztlich Flucht, Vertreibung und Verfolgung aus dem "heiligen Land" in den Mittelmeerraum.
Jeder von ihnen hatte den Verlust von Generationen zu tragen.
Das waren bestimmt schon lange keine Juden mehr, sondern Messias-Juden, "jüdische Christen".
Alle müssen sich gefragt haben "warum hat uns Gott nicht geholfen?".
Jedem war wohl klar, dass die Idee, über Gewalt ihren "Gott" zur Unterstützung zu animieren, komplett falsch war.
Alle hatten sie dasselbe Schicksal und starteten damit vom gleichen Nullpunkt aus.
Im Judentum gab es mit dem dort wohl sehr verehrten Rabbi "Hillel" eine Strömung, bei der die Nächstenliebe ins Zentrum gerückt wird (ich habe ihn schon angesprochen).
Nächstenliebe war genau das, was die Messias-Juden nicht mehr praktiziert hatten.
Sie hatten bestimmt kollektiv die Einsicht, dass sie ihren Gewalt-Weg so nicht mehr weiter fortsetzen können ("Gott" wird nicht reagieren).
Es ist ganz natürlich, dass man sich dann überlegt, wo die Fehler (in der Vergangenheit) waren und wie es hätte anders laufen können/müssen.
Der Bildungsgrad in diesen Leuten war im Durchschnitt nicht sehr hoch, denn die zelotische Idee erreichte wohl eher die einfache (sehr wundergläubige) Landbevölkerung.
Es ist dann nicht weit hergeholt, dass man auf die Idee kommt, einen Rabbi nach Art "Hillels" nochmal durch die Anfangszeit hindurchzuschicken und Korrekturanweissungen machen lässt.
Sie verwenden dabei Ereignisse aus der tatsächlichen Vergangenheit und stellen diese in Bezug zu diesem "idealen Rabbi" durch den die Beziehung zu "Gott" und die Untergangsereignisse eine neue Botschaft erhalten.
Man muss dabei noch nicht einmal einen einzigen Gläubigen täuschen und so tun, als wäre dies tatsächlich bei diesem Rabbi so geschehen und nicht bei den anderen.
Es reicht eine Generation aus, die eine Geschichte entlang ihrer Messias-Erwartung/Tradition (und natürlich 'relativ' entlang des alten Testamentes), mit der Absicht "ein Korrekturverständnis zu verteilen" aufstellt.
Die Gläubigen erzählen es sich dann unter dem Motto "so ist unser Schicksal zu verstehen, Gott will uns nicht in einen Sieg gegen ROM führen, sondern sein Reich liegt im Miteinander der Welt und in der Auferstehung".
Bereits die kommenden Generationen werden sich das als neue Basis erzählen und sie werden das Schicksal immer mehr vergessen (insbesondere wenn neue Gläubige angeworben werden).
Erzählen müssen sie es sich, denn das "heilige Land", der Tempel und das Allerheiligste sind verloren -> es gibt nur noch das Erzählen.
Die "Jesus"-Legende ist der Ausweg, um die Traditionen der Messias-Juden für ein Weiterbestehen sinnvoll zu verändern.
Für die Messias-Juden konnte es keinen Kampf mehr geben, sie mussten diesen Untergangszustand, ihre Zerstreuung, samt Verfolgung als Gottes-Wille, Gottes-Plan ansehen.
Anstatt, dass das Judentum ein Gottes-Reich mit Messias bekommen soll, sind sie umgeschwenkt auf "die ganze Welt muss vom Messias hören, bevor er kommt" und sie haben den Auftrag dies zu verbreiten.
Neben einem "idealen Rabbi" kann es natürlich auch andere Ideen geben und so erkläre ich die Messias-Texte, in denen es nicht mehr um einen Menschen geht (->
Gnosis).
Diese Ideen waren wohl ein sehr starker Konkurrent zu den vier Evangelien. D.h. auch diese Ansichten bildeten einen Ausweg für die Gläubigen.
Es war keine Verschwörung und es waren keine Lügen, es war für sie eine Notwendigkeit.
Der christliche "Jesus"-Weg, also die Überzeugung von Friede und Liebe, ist damit keine dümmliche Erfindung, sondern steht auf einem ausserordentlich real begründeten Fundament.
Diese neue Überzeugung ist so real notwendig und so wichtig, dass es geradezu fatal ist, dass die nachfolgenden Generationen des Christentums dies wieder aus dem Zentrum verloren haben und erneut den Gewaltgefahren im Messias-Thema verfallen sind.
Die Christen haben ihre Wurzeln vergessen, aber auch das ist keine Verschwörung. Die Wurzel wurde einfach als "der falsche Weg" ausgeblendet.
Vermutlich ist die gesellschaftliche Absonderung im römischen Reich und die Verfolgungen dafür verantwortlich, dass sich die Korrekturgeschichte als "Vergangenheit" verankert hat.
Das ist in etwa mein Ansatz, ein grobes Gerüst, das bestimmt leicht ins Schwanken gebracht werden kann (du solltest das auch machen), aber ich finde es besser, als die magische, mit Wundern angefüllte Christianisierung des Mittelmeerraumes durch ein unsichtbares "Jesus-Urchristentum", das von Engeln geführt wird ("nur weil einer vom Pferd auf den Kopf gefallen ist").