Travis hat geschrieben: ↑Fr 17. Apr 2020, 09:30
Auch wenn ich mich wiederhole.
Was mir bei den Sterbefällen nicht aus dem Kopf geht ist, dass es ja kaum Obduktionen gibt. In Italien zum Beispiel, finden Obduktionen so gut wie gar nicht statt. Trotzdem hat man auch dort lediglich bei 12% der Corona-Toten Corona auch auf dem Totenschein. Die viel zitierten 21k Toten reduzieren sich damit auf ca. 2,5k Tote. Das ist immer noch viel, rückt jedoch die Perspektive zurecht.
Verstehe das Argument nicht. Auf welchem Totenschein steht z. B. AIDS drauf? Das dürfte ja in westlichen Ländern wohl eher nicht vorkommen.
Dass HIV unbehandelt ziemlich tödlich ist, ist dennoch unbestritten. Wenn ein AIDS-Kranker mit 35 Jahren an einer typischen opportunistischen Infektion stirbt, dann kann man annehmen, dass letztlich HIV die Ursache war. Wenn er vom Bus überfahren wurde, eher nicht. So feingranular ist das ganze aber nicht und kann es auch gar nicht sein. Wenn du
den Level ans Skepsis auch sonst überall ansetzt, dann kannst du bei sehr, sehr vielen eindeutig tödlichen und gefährlichen Krankheiten argumentieren, dass sie harmlos sind.
Dazuhin ist umgekehrt eine starke Unterschätzung der wahren Opferzahlen hier auch sehr plausibel. Dazu muss man nur den Peak der "alle Ursachen"-Todesrate in den Hotspots anschauen und mit den offiziellen Covid-19-Todesfällen dort vergleichen.
Ja, es sterben viele Menschen. Und ja, es sterben viele Menschen, die positiv getestet wurden. Damit scheint bereits klar zu sein, woran diese Menschen gestorben sind. Was, wenn dies gar nicht so klar ist? Was wenn all diese Menschen auch bei einer starken Influenza gestorben wären? In Hamburg jedenfalls gibt es keinen einzigen "Corona-Toten" der an Corona gestorben ist. Dort wurden alle Corona-Toten opduziert.
Das kann schon sein, dass sie alle an einer starken Influenza gestorben wären. Die Frage ist aber wie stark?
Denn eine Jahrhundert-Grippe ist eine sehr schwere Krankheit. Nicht nur was die Tödlichkeit angeht. Tatsächlich kann sie sogar Spätfolgen bei Genesenen haben. Wie bei der Spanischen Grippe chronische neurologische Schädigungen.
So problematisch die Vergleiche mit Influenza sind (weil die Ausbreitung in der Bevölkerung anders ist), würde ich erstmal annehmen, dass für den Einzelfall Covid-19 ungefähr so hart wie eine Jahrhundert-Grippe ist.
Denn wenn man die Diamond Princess hernimmt als abgeschlossene Population, dann spricht es für eine IFR von um die 1%. Also hoch für eine Atemwegserkrankung.
So ein gutes Argument ist es nicht, dass es fast immer Vorerkrankungen braucht um an Covid-19 zu sterben. Denn ich bezweifle, dass Herr Püschl es wirklich so gut abschätzen kann ob Covid-19 jemandem 10 Monate oder 10 Jahre Restlebenszeit raubte.
Das ist aber nur so ganz, ganz grob ins blaue geschätzt. Vielleicht, vielleicht ist es merklich weniger schlimm wenn Herr Püschl's Einschätzung doch halbwegs korrekt ist und wir auch die Dunkelziffer bei Infektionen stark unterschätzen. Vielleicht ist es schlimmer, weil es bei schweren Verläufen (auch bei jüngeren Patienten) häufiger bleibende, chronische Folgeschäden gibt.
In jedem Fall wird sich "Corona" in das Gedächstnis der Welt einbrenne. Vielleicht als großer Fehler, vielleicht als verhinderte Pandemie... oder vielleicht als Mahnmal dafür, dass auch die moderne WIssenschaft nicht in der Lage ist eine Bedrohungssituation richtig einzuschätzen.
Epidemiologie funktioniert immer dann am schlechtesten, wenn man sie am ehesten braucht. Nämlich wenn die Krankheit neu ist. Du musst den kurzen Zeitraum bedenken. In wenigen Monaten kann die Wissenschaft da unmöglich zu einer guten Einschätzung kommen und harte Fehler sind leicht möglich. Daran ist wirklich nichts erstaunliches.
Ich denke trotzdem, dass in der Geschichte der Menschheit wohl bei keiner Seuche das Ausmaß der Maßnahmen so umfangreich war im Vergleich zur Gefahr. Ich würde mich wundern, wenn sich das am Ende anders herausstellt.
Natürlich waren früher die Menschen in viel größerem Ausmaß von Seuchen bedroht und es gab zahlreiche andere Gefahren. Da ist es nicht eigenartig, dass sie viel lockerere Standards angesetzt haben. Der "mittelalterliche Mensch" mit Erinnerungen an die Pest hätte bei Covid-19 nur mit den Schultern gezuckt.
Ich denke, dass durch die Entscheidung in China die Krankheit aggressiv zu bekämpfen auch ein enormer Druck auf den westlichen Regierungen liegt. Denn von der KPC nimmt man an, dass sie mehr um ihre Industrie sorgt als um das Wohlergehen der chinesischen Bevölkerung (das ist ein zu simpler Gedankengang, aber lassen wir das). Niemand will inhumaner rüberkommen als die KPC.
In dem Sinne, wenn man da ähnlich hart im nehmen ist, wie der mittelalterliche Mensch (ach, so weit muss man nicht gehen, 1900 reicht aus), kann man die Maßnahmen sicher als übertrieben ansehen.
Aber doch nicht weil wie Hiob daherquakt, Covid-19 so harmlos ist wie eine
ganz normale saisonale Grippe.
Wenn man schon den Einzelfall Boris Johnson, der einem als Einzelfall eigentlich gar nichts sagt, hernimmt, dann sollte man bedenken, dass ein gesunder Mensch in den 50ern wegen einer
normalen saisonalen Grippe nur selten auf die Intensivstation kommt.