Aslan hat geschrieben: ↑Sa 10. Feb 2024, 11:47
Aber das ist objektiver Journalismus, was Tucker hier bietet.
Ist es das?
Ist es objektiver Journalismus, keine Nachfrage zu stellen, wenn Putin über die Geschichte Russlands und die Geschichte der Ukraine im Kontext eines russischen Imperiums referiert, ohne z.B. den Holodomor zu erwähnen?
Ist es objektiver Journalismus, keine Nachfrage zu stellen, wenn Putin über den Beginn des Kriegs im Donbas redet und die Rolle russischer, wohlgemerkt nicht pro-russischer, nein, russicher Soldaten in der Region in den Tagen unmittelbar vor Beginn des ukrainischen Militäreinsatzes mit keiner Silbe erwähnt?
Ist es objektiver Journalismus, Putin widerspruchslos behaupten zu lassen, der Vorfall rund um Yaroslav Hunkas Einladung ins kanadische Parlament würde im Westen vertuscht werden, obwohl alle möglichen westlichen Outlets, die man sonst dem bösen Mainstream zuordnen würde, sowohl über den Vorfall selbst, als auch die Konsequenzen berichtet haben?
Ist es objektiver Journalismus, dass gerade Carlson, der kein Problem damit hat, sich zum Champion eines freien Journalismus stilisieren zu lassen, keine Frage über die Situation des Journalismus in Russland stellt?
Ist es objektiver Journalismus, Putin unwidersprochen behaupten zu lassen, Selenskyj hätte ein Dekret erlassen, dass Verhandlungen mit Russland verbietet?
Ist es objektiver Journalismus, keine Nachfrage zu stellen, wenn Putin sagt, Russland wäre bereit zu verhandeln, während von russicher Seite klar kommuniziert wurde worüber man gar nicht erst verhandeln wird, wodurch sich die Frage aufdrängt, über was außer einer Einstellung der Angriffe Russland überhaupt noch zu verhandeln bereit ist?
Ist es objektiver Journalismus, keine Nachfrage zu stellen, wenn Putin sagt, man hätte kein Interesse an Angriffen auf westliche Länder, wenn gleichzeitig in untrennbar mit der Regierung verflochtenen Medien regelmäßig Stimmung dafür gemacht wird, nicht in der Ukraine halt zu machen und z.B. erst aufzuhören, wenn Russland den Atlantik erreicht hat?
Nicht alles was Putin gesagt hat, war falsch. Manches schon, aber nicht alles. Aber vieles war einfach unvollständig. Ist es guter Journalismus, es einfach unvollständig stehen zu lassen? Und das sind nur Fragen, die sich unmittelbar aus dem Verlauf des Interviews ergeben, darüber hinaus hätte es noch eine ganze Reihe weiterer Themen gegeben, zu dem es interessante Fragen gegeben hätte. Nur müssen dafür zwei Kriterien erfüllt sein, man muss diese Fragen stellen wollen und man muss diese Fragen stellen dürfen.
Stellt sich dem Zuschauer also die Frage welcher Hinderungsgrund im Fall von Tucker Carlson zutrifft. Hat er diese und andere Fragen nicht gestellt, weil sie sich ihm nicht gestellt haben? Sind sie ihm prinzipiell in den Sinn gekommen, aber er hat sie nicht gestellt, weil es nicht in seinem Sinne war? Oder war das Nichtstellen bestimmter Fragen bzw das Nichtansprechen bestimmter Themen Voraussetzung für das Interview? Und was sagt das über die diesen 'Journalismus' aus?
Tucker Carlson mag sich in seinem Ankündigungsvideo hinstellen und Interviews, die westliche Journalisten mit Selenskyj geführt haben als Propaganda statt als Journalismus bezeichnen. Das ist auch fair, denn mit Sicherheit lassen sich Beispiele dafür finden, die diesen Vorwurf berechtigen. Aber wo hat Carlson hier bitte eine bessere Leistung abgeliefert? Was genau war denn hier jetzt so unglaublich geschichtsträchtig, dass man das Gefühl bekommt, für so manchen hier stelle sich eigentlich nur noch Frage, ob man die Tucker Carlson Statue in Bronze oder gleich in Gold anfertigen lassen sollte.
Naja, zumindest finanziell hat es sich wohl für ihn gelohnt und ich finde es ehrlich gesagt sehr amüsant, wenn z.B. Johncom so etwas schreibt
Johncom hat geschrieben: ↑Fr 9. Feb 2024, 03:05

You Tube hat viele, wohl die meisten Life Streams gekappt, manche hielten nur ein paar Minuten.
und damit in die Kerbe diverser Kommentaren schlägt. Uuuuh, Big Tech versucht das Interview zu zensieren. Jaja, warum wurden denn viele Livestreams abgeschaltet? Warum verwendet wohl LÜGENBRECHER eine gespiegelte Version des Interviews? Die Antwort ist einfach: Urheberrecht. Und jetzt kann man sich einfach mal fragen, wer das größte (mMn vollkommen legitime) Interesse daran hatte, Restreams zu unterbinden und dadurch so viele Klicks wie möglich auf die eigenen Videos bzw. die eigene Plattform zu bündeln.
Ich kann das Schauen des Interviews durchaus empfehlen, aber in erster Linie aufgrund seiner Selbstentmystifizierung, denn ich sehe ehrlich gesagt nicht, wo dieses Interview seinem eigenen Hype auch nur annähernd gerecht wird.